Nachhaltiges Handeln für einen zukunftsfähigen Tourismus

Shownotes

Die sechste Episode des DZT-Branchenpodcasts befasst sich mit der Nachhaltigkeit und ihrer elementaren Bedeutung auch für den Tourismus-Sektor. Die Vorsitzende des Vorstandes der DZT, Petra Hedorfer, und Eva Buzzi, Präsidentin des Österreichischen Reiseverbandes und Geschäftsführerin von Rail Tours Touristik (ÖBB), zeigen auf, wie weit Anbieter beim „grünen Tourismus“ sind, warum eine Umsteuerung der richtige Weg ist und welche wichtigen Schritte in der Vermarktung und Kommunikation gegangen werden müssen.

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„On the MIC with Petra Hedorfer“ – Episode 6 Nachhaltigkeit

Host: Petra Hedorfer (CEO Deutsche Zentrale für Tourismus)

Moderation: Thorsten Schaubrenner

Gast: Eva Buzzi (Geschäftsführerin von Rail Tours Touristik

Gast: und Präsidentin des Österreichischen Reiseverbandes)

Intro: „On the MIC with Petra Hedorfer“ - der Podcast der Deutschen Zentrale für Tourismus mit Experten aus aller Welt.

Schaubrenner: Hallo und herzlich willkommen zu „On the MIC with Petra Hedorfer", dem Podcast der Deutschen Zentrale für Tourismus.

Schaubrenner: Liebe Petra Hedorfer, Sie als CEO der DZT sprechen ja in dieser spannenden und informativen Reihe wieder mit internationalen Expert*innen über verschiedene Schwerpunktthemen. Und ich, Thorsten Schaubrenner, darf Sie dabei wieder als Moderator unterstützen. Schön, dass wir heute wieder zusammensitzen, liebe Petra.

Hedorfer: Ja, Thorsten, ich freue mich auch. Ein spannendes Thema. Lassen Sie uns gleich einsteigen.

Schaubrenner: Auf jeden Fall. Als Gast aus Österreich, aus dem wunderschönen Wien zugeschaltet, ist Eva Buzzi, die Präsidentin des Österreichischen Reiseverbandes. Hallo, Frau Buzzi.

Buzzi: Hallo aus Wien.

Schaubrenner: Schön, dass Sie dabei sind. Schließlich sind Sie auch noch die Geschäftsführerin von Rail Tours Touristik, einer hundertprozentigen Tochter der Österreichischen Bahn. Und damit sind wir eigentlich schon mittendrin, denn, Petra, bei uns geht es heute um das New Normal beim Reisen, um die Nachhaltigkeit und wie Anbieter und Destinationen genau damit umgehen. Und deswegen gleich meine erste Frage, Petra: Warum kommt an der Nachhaltigkeit eigentlich inzwischen niemand mehr vorbei?

Hedorfer: Ja, Thorsten, ich sag mal, der Klimawandel und die Umweltzerstörung sind existenzielle Bedrohungen für Europa, für die ganze Welt, für uns alle. Und mit dem europäischen Green Deal wollen wir ja in Europa, zumindest alle Staaten, die beteiligt sind, einen Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft schaffen, die bis 2050 keine Netto-Null-Treibhausgasemissionen mehr ausstößt. Wir alle sehen diesen Sommer, wie das Klima sich verändert und was für Auswirkungen es für die Natur, für die Menschen, für die Wirtschaft hat. Die Bundesregierung hat ja auch das Ziel, dass die Erderwärmung bis 2030 nicht mehr als 1,5 Grad ansteigt. Wir als Deutsche Zentrale für Tourismus haben deshalb auch Ziele, die wir lange verfolgen, nachhaltiger zu agieren und eine Brücke hin zu einem zukunftsfähigen qualitativen Tourismus zu schaffen. Vielleicht für unsere Hörer: Bereits diesen Sommer haben wir einen memorablen Tag erleben dürfen. Am 28. Juli war der Earth Overshoot Day. Der Tag markiert den Zeitpunkt, an dem die Menschheit alle biologischen Ressourcen verbraucht hat, die die Erde im Laufe eines Jahres regenerieren kann. Also man sieht, wie endlich dieses Thema ist und nachhaltiges Handeln zu einer wesentlichen Voraussetzung für einen wettbewerbsfähigen und zukunftsfähigen Tourismus geworden ist.

Schaubrenner: Das ist ein wahnsinnig wichtiges Thema. Und gerade dieser Overshoot Day zeigt eben auch die Aktualität. Wir haben ja auch ganz interessante Zahlen dazu, was die Reisenden angeht, wie die dieses Thema bewerten. Petra, nehmen Sie uns da mit. Was wissen wir? Welche Dringlichkeit hat das inzwischen auch für die Reisenden?

Hedorfer: Sie haben völlig recht. Es ist ja nicht nur, dass die Branche, die Industrie, darauf reagiert und umsteuert - und umsteuern muss. Der Kunde verlangt es auch. Also große Portale, Expedia Sustainable Travel Study, die Booking Sustainable Travel Report Studie, um nur zwei zu nennen. Alle beschäftigen sich ja mit dem Kundenverhalten. Und: Wie tickt der Kunde jetzt, wenn er Reisen und Urlaub macht? Will er nachhaltiger werden? Ich sag mal so, in diesem Jahr sagen diese Studien, dass fast 80 Prozent mindestens einmal in nachhaltigen Unterkünften übernachten wollen. Also der Kunde sucht diese Experience. Er möchte in seinem Lifestyle auch nachhaltiger agieren im Urlaub. Es ist kein grüner Anstrich mehr. Expedia sagt, dass bereits sieben von zehn Reisenden ein Land oder ein Transportangebot nicht wählen, wenn der Anbieter nur Lippenbekenntnisse macht. Also wir brauchen Zertifikate, einen Ruf, wir brauchen Glaubwürdigkeit. Aus Kundensicht ist der Demand auf alle Fälle da. Eins vielleicht noch: Der Nation Brand Index, der Markenwert, in dem weltweit Gäste befragt werden, wie sie ein Land als Marke wahrnehmen, da sagen in der letzten Studie 31 Prozent der Befragten, dass der Schutz der Umwelt und der natürlichen Ressourcen für sie an erster Stelle steht. Also hier sehen wir auf alle Fälle eine Entwicklung. Wir sehen sie bedauerlicherweise in den Klimaveränderungen. Wir sehen aber auch die Chancen, dass Industrie das Thema anpackt - und der Kunde erfordert es.

Schaubrenner: Wie steht Deutschland in Bezug auf diese Herausforderungen da? Wie wird Deutschland im Ausland wahrgenommen, was gerade diese Glaubwürdigkeit und das Engagement für die Nachhaltigkeit angeht?

Hedorfer: Ich will gleich, liebe Eva, das Wort auch an dich geben und hier nicht monologisieren. Aber wenn ich den SDG Index (Anm. Sustainable Development Goals) für uns beide aufrufe, den Development Goals Index, dann liegen wir, Österreich und Deutschland, hier vorne mit auf. Das heißt, nachhaltige Ziele zu messen, zu indizieren: Was haben wir da erreicht? Gibt es Entwicklung und Fortschritt? Da liegen nach skandinavischen Ländern - Finnland, Dänemark und Schweden und Norwegen - Österreich und Deutschland schon ganz vorne mit in diesem Top 10 Ranking. Es gibt sehr gute Ergebnisse. Das heißt aber nicht, dass alle Hausaufgaben gemacht sind. Hier ist noch eine Menge an Hebelwirkung notwendig. Aber ich will sagen, es ist auch schon über zwei, drei Dekaden sehr viel in diesem Umweltschutz, in nachhaltigen Gedanken, in sozialer Entwicklung auch passiert.

Schaubrenner: Ja, Frau Buzzi, der Ball liegt sozusagen jetzt mal bei Ihnen und bei den Bahnen, den österreichischen, beziehungsweise den österreichischen Reisenden. Wie bewerten Sie dieses Thema Nachhaltigkeit?

Buzzi: Ja, natürlich unglaublich wichtig. Ich meine, ich kann da nur alles unterstreichen, was du, Petra, gerade gesagt hast. Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und einfach sagen: Das Wort Klimawandel drückt viel zu wenig aus, was wir gerade durchmachen. Da ist Klimakrise noch ein nettes Wort, um noch nicht Klimakatastrophe zu nennen. Ohne da schon jetzt am Anfang irgendwelche Teufel an die Wand zu malen. Aber ich glaube, wir sollten da schon eine Sprache verwenden, die der Dramatik der Situation, die wir mit dem Klima im Moment mitmachen, was wir jetzt alle merken, quasi angemessen ist. Zu meinem Leib-und-Magen-Thema: Ich habe schon am Anfang gesagt: Natürlich als Geschäftsführerin der ÖBB Rail Tours ist das Thema die Nachtzüge beziehungswiese die Bahn-Anreise. Also wir alle wissen, dass bei einem durchschnittlichen Urlaubsaufenthalt circa 80 Prozent der Emissionen auf Kosten der Anreise gehen. Und da sieht man schon einmal allein, welchen Hebel wir da miteinander in der Hand haben, um unseren Urlaub oder den Urlaub für unsere Gäste klimafreundlich gestalten zu können. Wenn wir ins Jahr 2016 zurückgehen, hat sich die ÖBB entschlossen, damals unter dem Gelächter von allen benachbarten Staaten, das Nachtnetz, was gerade dabei war, von der Deutschen Bahn „aufgelöst zu werden" voll zu übernehmen. Und auch in Eigenwirtschaft zu übernehmen. Und niemand hat gedacht, was für einen großen Erfolg, einen Nachfrage-Erfolg das erzielen wird. Wir wissen, dass wir da noch viele, viele Schritte machen müssen, was Qualität, was Quantität und so weiter angeht. Wir sehen jetzt einmal - und auch das unterstreicht wieder genau das, was du gesagt hast, Petra: Die Nachfrage des Kunden ist da. Und wir sind jetzt gefragt, mal hier diese Nachfrage zu befriedigen.

Hedorfer: Wenn ich sagen darf, Eva, ich stimme dir vollumfänglich zu. Also es ist eine Umsteuerung notwendig. Der Kunde sucht diese Nachhaltigkeit, die Glaubwürdigkeit, auch in seinem Urlaubsverhalten. Wenn ich in unsere Zahlen gucke: Du weißt das, aber den Hörern will ich sagen, dass der österreichische Markt ein ganz wichtiger für uns ist. Er ist immer in diesem Top 5 Incoming Ranking, also der Gäste, die aus dem Ausland kommen. Es waren noch vor der Krise vier Millionen Übernachtungen in Deutschland der Österreicher. Und 20 Prozent davon sind im Jahr '21 mit der Bahn gereist. Und im Übrigen dürfen wir sagen, dass die Krise uns noch näher zusammengebracht hat. Also nicht noch mehr Bahnkunden, sondern insgesamt auch eine schnellere Markterholung. Thema Erreichbarkeit und eben diese exzellenten Bahnverbindungen. Eva, magst du was sagen zu den Verbindungen?

Buzzi: Ja, sehr, sehr gerne. Also Deutschland ist eines unserer Top-Ziele, unserer Top-Destinationen. Vor allem auch eben was die umweltfreundliche Bahnanreise angeht. Unser erfolgreichster Nightjet, den wir im Moment führen, der geht nach Hamburg. Da sind wir wahnsinnig stolz drauf. Da kann man schon wirklich sagen, du hast 'nen Lotto-Sechser, wenn du einen Platz drauf kriegst. Man sieht auch wirklich: Bis Ende Oktober fast ausgebucht. Also es ist schon fast beängstigend. Gut erreichbar ist auch das gesamte Ruhrgebiet mit unseren Zügen, die wir eben nach Amsterdam, nach Brüssel führen, dann natürlich quer durch Deutschland durch. Und auch Berlin ist mit dem Nachtzug gut erreichbar. Man sieht also schon, wir decken aus unserem kleinen Österreich wirklich einen ganz großen Bereich aus Deutschland ab, den man eben jetzt seit 2017/2018 noch besser und noch komfortabler mit der Bahn erreichen kann.

Schaubrenner: Das ist nun wirklich eine tolle Erfolgsgeschichte. Jetzt wollte ich noch mal den Bogen kriegen zur Nachhaltigkeit. Wenn ich mich jetzt also hineinlege in so einen Nightjet: Mit was für einer Bilanz komme ich denn dann an? Wie viel klimafreundlicher reise ich an, als wenn ich mit dem Flieger oder mit dem Auto nach Deutschland kommen würde?

Buzzi: Also wir haben so eine ... Wie soll man sagen? Eine Faustrechnung, dass wir sagen, dass die Bahn 50-mal klimafreundlicher als das Flugzeug ist. Und circa 30-mal klimafreundlicher als das Auto. Ist natürlich ein Durchschnittswert, weil es natürlich immer drauf ankommt, egal welches Verkehrsmittel ich benutze, wie stark die Auslastung innerhalb des Verkehrsmittels ist. Aber das ist die Faustregel, die gilt. Und das ist doch schon ein Haufen CO2, den wir dann quasi unserem Klima ersparen.

Hedorfer: Denkt denn Rail Tours und die ÖBB nach, hier aufzustocken? Also wollt ihr die Taktung erhöhen? Und gibt es da in der Perspektive hin zu noch mehr nachhaltigen Anreisen aus Österreich auch quantitativ eine Entwicklung?

Buzzi: Ja, der Wunsch und die Vision ist auf alle Fälle da. Aber niemand weiß besser als ich, was für ein kompliziertes Wesen die Bahn ist, beziehungsweise die Bahnen in ganz Europa. Wir haben schon neues Zugmaterial bestellt und versuchen somit auch die maximale Zuglänge, die für alle Bahnsteige zugelassen ist, zu erreichen. Mit der Taktung sind wir halt sehr, sehr abhängig von der Infrastruktur der befahrenen Länder. Wir wissen im Moment, gerade Deutschland hat jetzt ein Riesenthema, dass die Frequenzen auf den Schienen sehr eng durchgetaktet sind und wir somit nicht sagen können: Okay, wir hängen hinter den zwei Stunden nach dem Nightjet noch einen zweiten Nightjet hinten dran. Das ist einfach im Moment von der Infrastruktur nicht möglich. Wir möchten aber natürlich auch die Ziele ausbauen. Wir haben da schon einige ganz gute Ideen, die noch nicht hundertprozentig spruchreif sind, und werden jetzt einmal in erster Linie darauf schauen, dass wir mit neuem, mit besserem, komfortablerem Zugmaterial noch mehr Kundinnen und Kunden auf den Zug locken.

Hedorfer: Das heißt aber, ich will mal sagen: Natürlich muss der Ausbau der Infrastruktur mit dieser Transformation und mit den neuen Bedürfnissen tatsächlich Schritt halten. Unser Bundesverkehrsminister hat hier ja auch Geschwindigkeit versprochen, das heißt massive Investitionen und Ausbau und Fokussierung. Nicht nur auf das Thema Pünktlichkeit und Erreichbarkeit, sondern eben auch auf quantitative Entwicklungen. Ich denke, es ist die Zukunft, und wir werden sehen, dass wir in einer Dekade hier sicherlich eine Entwicklung sehen und diese Anreiseformen sehr viel selbstverständlicher auch in dem Modal Split genutzt wird. Da bin ich überzeugt von, ja.

Buzzi: Ja, ich absolut auch. Vor allem, wenn ... Es ist ganz klar, sogar für einen Bahnromantiker, eine Bahnromantikerin wie mich ist völlig klar, dass nicht sämtliche Verkehrsströme jetzt auf die Bahn umgelenkt werden können. Das ist einfach faktisch unmöglich. Aber es gibt sehr wohl Berechnungen, dass innerhalb eines gewissen Radius, sagen wir mal 400/ 500 Kilometer, da sehr wohl noch viel Platz ist, Kundinnen und Kunden aufzunehmen. Und auch in diesem Bereich es einfacher ist, die Frequenzen zu erhöhen. Also da bin ich sehr optimistisch, dass wir da auf einem guten Weg sind.

Hedorfer: Ich würde sagen, das strategische Ziel, nachhaltiger zu werden, hängt ja auch mit der Aufenthaltsdauer zusammen. Das heißt, wenn diese Emissionen in der Anreise und vor Ort im Urlaubsverhalten stattfinden, dann möglichst eben einen Impact auch in der Dauer zu setzen, dass eben längere Urlaube auch möglich sind. Und da bietet die Bahn ja wunderbar Gelegenheit, wenn ihr über die Südschiene kommt, immer wieder auch einen Zwischenstopp zu machen. Also in Nürnberg, in Bamberg, in Würzburg oder Richtung dem Norden ja auch. Also es ist ja so easy, mitten in der Stadt anzukommen. Und dann kannst du entspannt ein paar Tage in der einen Stadt und in der anderen machen. Thorsten, wissen Sie, dass fast 30 Prozent unserer Kunden sogenannte Rundreisen machen? Deutschland ist mehr wert als ein Stopp. Eva, wir haben nicht nur ein Wien, wir haben ja viele große Städte in Deutschland.

Buzzi: Wir haben den großen Block bei uns im Osten - und das ist es, ja? Das heißt, ich beneide euch, dass ihr so wunderbar herrliche Metropolen über ganz Deutschland verteilt habt, die man ideal mit der Bahn abfahren kann. Also - tolle Sache.

Hedorfer: Ganz genau, ja.

Schaubrenner: Frau Buzzi, ich wollte noch mal fragen: Wie weit kann die Nachhaltigkeit gehen? Ist da beim Ökostrom für die Bahn schon Schluss? Oder haben Sie den Eindruck, dass die Nachfrage da ist? Wir haben eingangs gehört, Petra Hedorfer hat das dargestellt: Lippenbekenntnisse reichen ja nicht mehr. Es muss wirklich etwas passieren. Worauf kann man sich da noch konzentrieren? Ist es mit dem Ökostrom dann schon genug? Oder haben Sie den Eindruck, die Reisenden wollen die Nachhaltigkeit auch wirklich umfassend erfahren?

Buzzi: Also die Nachfrage ist auf alle Fälle da. Und es liegt jetzt, glaube ich - und da darf ich jetzt in meine Rolle hüpfen als Präsidentin des Österreichischen Reiseverbandes - dass hier eine wahnsinnige Beratungsnotwendigkeit da ist. Die Kundinnen und Kunden möchten gerne nachhaltig verreisen, aber wissen gar nicht, welche Möglichkeiten es gibt, beziehungsweise wo die größten Hebel sind, wo sie selber in allen Bereichen sozial, ökologisch nachhaltig unterwegs sein können. Auf der einen Seite sind wir wieder bei der Anreise. Wenn ich jetzt fliege, das kann man nicht ganz streichen aus unserem Bewusstsein: Was bringt Kompensation? Wo kann ich meinen Ausstoß reduzieren? Das fängt bei kleinen Dingen an, wie dass ich zum Beispiel mit der Bahn zum Flughafen reise, und nicht mit dem Auto. Oder dass ich die Möglichkeit habe, die Sustainable Aviation Fuels beimischen zu lassen. Und dann sind wir auch bei einem ganz großen Thema, was mir sehr am Herzen liegt, eben in der Beratung den Leuten eben längere Aufenthalte zu empfehlen. Lieber einmal eine Woche unterwegs zu sein als zweimal drei Tage. Oder lieber einmal drei Wochen als dreimal eine Woche. Und ich glaube, da kann man noch sehr viel Bewusstseinserweiterung bei unseren Kundinnen und Kunden betreiben.

Hedorfer: Eva, ihr habt ja auch, was das Thema Food angeht, in der Verpflegung auf den Zügen immer mehr nachhaltige und zertifizierte Angebote. Von der Deutschen Bahn weiß ich's auch. Also in der Customer Journey, der Kundenreise, an den verschiedenen Stationen - im Hotel, auf der Anreise, vor Ort - das Thema Nachhaltigkeit auf alle Fälle stärker nicht nur zu bewerben, sondern auch zu besetzen. Da muss ja auch der Anbieter, der Leistungsträger, mitmachen.

Buzzi: Ja, absolut. Und das ist bei uns auch, jetzt bin ich wieder auf der ÖBB-Seite unterwegs, von unserem Aufsichtsrat gefordert, dass unsere Produkte, die wir dem Kunden entlang der Reisekette anbieten, nur nachhaltige Produkte sind. Zum Beispiel - ich meine, das ist jetzt kein Scherz - dass wir aus unseren Lounges die Bananen verbannt haben, obwohl das nachgewiesenerweise des Lieblingsobst unserer Kunden war. Und jetzt gibt es einen steirischen Apfel. Aus, Ende, vergiss die Banane. Ja! Also das sind so Kleinigkeiten, die bei uns auch ganz, ganz wesentlich sind. Auch in unseren Bordbistros. In der Hotellerie hat die Österreichische Hoteliervereinigung die Initiative Klimateller ins Leben gerufen, wo nachhaltig produziert wird, wo nachhaltige Angebote gemacht werden. Auch so Kleinigkeiten, dass bei einem Menü zum Beispiel die vegetarische Variante immer an erster Stelle steht, und auch an zweiter Stelle erst das Fleisch. Also das sind auch so kleine sehr wirksame Merging-Maßnahmen, die doch Größeres bewirken können.

Hedorfer: Ich bin da ganz bei dir. Auf alle Fälle. Wobei natürlich, je kleiner die Einheit wird und der Leistungsträger, der Teilnehmer in der touristischen Kette, der Kiosk, der Fahrradverleih et cetera, alle brauchen ja dann auch diesen nachhaltigen Ansatz. Und der Kunde sucht natürlich Orientierung. Er sucht die Beratung, da stimme ich dir zu. Aber wir haben natürlich auch sehr viele Zertifikate. Ich weiß nicht, was auf österreichischer Seite geplant ist, aber wir in Deutschland suchen schon ein Dach, um dieses Thema für Verbraucher auch zu transportieren. Egal in welchem Vertriebskanal, in der persönlichen Beratung, im Reisebüro, online, in den großen Portalen. Es gibt sehr viele Zertifikate. Das ist ja eine Entwicklung dieser stärkeren Fokussierung von Nachhaltigkeit. Unser Bundesumweltamt clustert im Moment 30 Zertifikate allein, die wertvoll und wichtig sind. Und dann gibt es viele andere, die auch bemerkenswert sind und einen Schritt in diese nachhaltige Aufstellung machen. Also für den Verbraucher aus Kundensicht ist es natürlich auch in der Orientierung nicht einfach.

Buzzi: Nein, absolut nicht. Ich würde es ja auch fast einen Wildwuchs nennen, was da in den letzten Jahren passiert ist an Zertifizierungen, wo man gar nicht mehr dahinter schaut, was eigentlich da jetzt genau zertifiziert wird ehrlicherweise. Ich sehe jetzt also nur quasi die österreichischen Lösungen, ich kenne mich da in Deutschland nicht so aus. Also wir jetzt wiederum von der Reisewirtschaft, wir haben eine gemeinsame Initiative, Futures, gemeinsam mit dem DRV und SRV, wo wir mal zumindest versuchen, dieses Thema Klima und Nachhaltigkeit gemeinsam in den Reiseverbänden auf Linie zu bringen. Und wir sind jetzt gerade beim ersten Schritt, der genau das unterstreicht, was du jetzt gesagt hast. Wir versuchen jetzt gemeinsam einen einheitlichen Branchenstandard für die Darstellung von Emissionen bei einer Urlaubsreise zu kreieren. Denn auch da gibt es so viele unterschiedliche Berechnungsmethoden, und man verunsichert den Kunden natürlich, wenn er auf der einen Plattform sich diese Ersparnis ausrechnet und auf der anderen Plattform jene Emission. Das heißt, der erste Schritt wird einmal sein, da zumindest innerhalb der Dachregion unserer Kundinnen und Kunden gemeinsam ausweisen zu können, wie viel CO2 sie auf ihrer Reise verbrauchen. Und wie viel sie bei diversen Maßnahmen, die sie dann treffen können, einsparen können.

Hedorfer: Und Eva, wenn ich darf: Also jetzt sprechen wir über Zertifikate, dass die einheitlicher werden. Aber wir müssen auch - das postuliere ich hier - die digitale Technologie einsetzen. Stichwort Besucherlenkung. Ist auch ein Nachhaltigkeitsthema. Also die Verteilung von Reiseströmen, die Zumutbarkeit, die Balance von Gast und Local, also der Bevölkerung, die vor Ort in der Destination lebt. Hier haben wir auch noch nicht flächendeckend Ansätze. Wir sind im Moment mit unserem Open Data Projekt (Anm. offene Daten) unterwegs. Es ist ein Beitrag zu einer nachhaltigen Destinationsentwicklung, eben diese Daten zu öffnen, sie verfügbar zu machen und da mit Realtime live zu sehen: Wo bewegen sich Kunden? Welche Reiseströme haben wir, welche Muster, und wie können wir hier in der Werbung und in der Information auch steuernd eingreifen?

Buzzi: Absolut wichtig. Ich mein, wenn man sich nur überlegt, vor jetzt 2020, wo plötzlich das Buzzword Overtourism ganz weit weg war: Es wurde gesagt, nie wieder wird es auf einem Fleck so viele Leute geben wie damals. Und der leere Markusplatz und was weiß ich was alles. Wir sind jetzt quasi genau schon wieder dort, wo wir 2019 waren. Und da sind natürlich genau diese digitalen Features das Richtige, um da unter Umständen die Besucherströme eben weg von diesen Massen zu lenken. Es ist halt genau das Gleiche wie beim Auto: Der Stau sind immer die anderen, und nicht man selber. Und genau da müssen wir dran arbeiten. Auch ein sehr gutes Konzept, wo ja auch Deutschland führend fast ist in der Kommunikation, sind die Second Cities.

Hedorfer: Ja.

Buzzi: Es muss nicht immer die bekannte Stadt sein, die Metropole, sondern diese Second Cities und der Charme der Second Cities ist etwas, was mir auch sehr am Herzen liegt, weil auch da die meisten natürlich gut öffentlich erreichbar sind.

Hedorfer: Thorsten, da könnten wir jetzt ins Marketing wechseln, was uns ja auch verbindet.

Schaubrenner: Unbedingt

Hedorfer: Deutschland und Österreich, die Deutsche Zentrale für Tourismus und Rail Tours: Wenn es um die nachhaltigen Städtereisen geht.

Schaubrenner: Das sollten wir tun. Und da bin ich gespannt, was wir lernen können von Österreich. Aber wie wir hier in Deutschland eben auch aufgestellt sind und was wir dort anbieten können. Da haben wir ja nun die beiden Expertinnen hier gemeinsam in diesem Podcast zusammen bekommen. Petra, wollen Sie uns da vielleicht ein paar Eckpunkte nennen?

Hedorfer: Ja, ich habe es ja schon gesagt und Eva hat es skizziert. Wir haben eben nicht nur eine Hauptstadt, ein Berlin, wir haben 16 Bundesländer, wir haben sehr viele Städte, Perlen entlang der Reiseregionen. Und all diese Städte zu verbinden, zu bewerben und sie eben auch unter ihrem Nachhaltigkeitsprofil zu präsentieren, Eva, das haben wir in der Zusammenarbeit der Bahnen ÖBB und DB ja in einer Marketingkooperation, die 14 Jahre existiert. Weißt du das, dass das schon so lange ist?

Buzzi: Ja, ich war sogar schon bei der ersten dabei. Erschreckend, stell ich grad fest. 14 Jahre ist es her. Und diese Kooperation, die sucht wirklich seinesgleichen. Es ist von einer derartigen Partnerschaft getragen, und es ist wirklich das Schöne, dass bei dieser Kooperation beide genau das Gleiche wollen. Wir wollen einfach zeigen - auf der einen Seite: Was können unsere Kundinnen und Kunden in Deutschland tun? Welche Schwerpunkte können wir setzen? Und wir präsentieren das dann hier in Citylights, in Kampagnen und auch in Workshops. Und da muss ich auch eines sagen: Jedes Mal, wenn ich auf einem eurer Workshops bin, habe ich nachher einfach sagenhafte Lust, sofort aufzubrechen nach Deutschland. Und das ist kein Schmäh, das ist tatsächlich so.

Hedorfer: Danke vielmals dafür. Euer Reisefachmagazin, also das Pendant zu FVW, würde ich fast sagen, Tourist Austria International, T.A.I. sagt ihr dazu, hat ja einen Werbe-Grand-Prix in diesem Jahr auch wieder vergeben. Und wir waren einer der Sieger, der prämiert wurde. Unsere Kampagne wurde hier prämiert. Drei der Sujets, also der Werbebausteine, besonders herausragend in der Kreativität. Eva, du weißt, wie wichtig uns die österreichischen Kunden sind. Und hier immer am Puls der Kunden zu sein ist wichtig. Und uns verbindet tatsächlich, ich glaube schon, ein nachhaltiges Reiseverhalten in beide Richtungen.

Schaubrenner: Genau. Entschuldigung. Petra, Sie haben ja auch die kleinen Städte angesprochen, die es wert sind, hier in Deutschland entdeckt und bereist zu werden. Und ich glaube, wir haben ein paar Zahlen zusammengestellt, zum Beispiel für eine Stadt, wo man jetzt auch nicht sofort sagt: „Ah ja, da wollte ich immer schon mal hin", beziehungsweise „die habe ich auf dem Zettel". Das ist Freiburg. Freiburg hat ja da in Bezug auf die Nachhaltigkeit schon einiges umgesetzt. Und das jetzt nur mal als Beispiel. Da lohnt es ja, wenn man die Nachhaltigkeit in seinem Reiseverhalten berücksichtigt, auf jeden Fall mal vorbeizuschauen. Wollen Sie uns da ein bisschen was berichten?

Hedorfer: Ja, sehr gerne. Freiburg im Süden des Landes, am Fuße des Schwarzwalds - für alle Hörer, die in Österreich vielleicht nicht den Ort genau kennen - ist wirklich ein Best Practice, was Klimaneutralität angeht. Die streben bis 2038 an, klimaneutral zu sein. Das ist nicht in allzu weiter Ferne. Heute schon, oder seit 2009, sind die Stadtbahnen komplett mit Ökostrom emissionsfrei, klimaneutral. Und sie rekuperieren auch Energie. Also wenn gebremst wird, dann wird die Energie wieder ins Netz gespeist. Wir haben 40 Jahre lang schon diese Universitäts- und Studentenstadt, Freiburg hat das Fahrrad als das Verkehrsmittel, jeder Dritte fährt dort Fahrrad, Touristen haben Radstationen flächendeckend. Es kostet einen Euro Fahrradmiete am Tag. Das ist, glaube ich, auch noch ein Thema: Das Pricing für all diese nachhaltigen Angebote. Wenn du Kunden lenken willst auf Alternativen, spielt das Thema Preis-Leistung sicherlich auch eine Rolle. Der Anteil der Autofahrer ist gesunken von 39 auf 21 Prozent in der Stadt. Was kann ich noch berichten? Sonnenenergie, Solarpflicht auf allen gewerblichen Gebäuden. Im Übrigen wie in ganz Baden-Württemberg. Und was ich auch faszinierend fand: Das Neue Rathaus in Freiburg ist weltweit das erste Rathaus mit Nullenergiekonzept. 800 Solarpanels an der Fassade. Das bringt mich auf eine interessante Information für uns im Gespräch heute: Wir machen heute schon Außenwerbung mit sogenannten Murals, jetzt aktuell in Tschechien und in Polen. Die Farbe kann auch CO2 abbauen. Also man wirbt und produziert und nutzt Energie auf der einen Seite als Ressource. Auf der anderen Seite ist diese Aktion aber gleichzeitig auch ein Beitrag, CO2 abzubauen. Also es gibt interessante Möglichkeiten. Viele Städte machen sich auf den Weg. Ich glaube, dass diese Initiativen nicht hoch genug gelobt und auch beworben und besprochen werden müssen. Wir brauchen diese Initiativen nicht nur in allem, was neu gemacht wird, sondern auch in der Umgestaltung der Infrastruktur.

Schaubrenner: Auf jeden Fall. Spannende Informationen, die wir bisher erhalten haben. Ich fand auch diese Idee, den regionalen Apfel statt der Übersee-Banane anzubieten auf jeden Fall sehr interessant und sehr bedenkenswert. Eva Buzzi, das waren auch von Ihnen tolle Informationen. Ich frag mich jetzt, wenn wir in die Zukunft gucken: Wie sieht es aus mit den nächsten Schritten im Tourismus? Wohin gehen die? Wie können die aussehen?

Buzzi: Na ja, ein bisschen was davon habe ich schon erwähnt, was mir so im Kopf herumschwirrt. Ich mein, das Allererste was wir mal brauchen, ist alle gemeinsam Mut und Zuversicht, dass wir diese Ziele, die doch harte Ziele sind, gemeinsam schaffen können. Das ist einmal, glaube ich, das Allerwichtigste. Wir dürfen eins nicht vergessen: Die Glasgower Erklärung, die doch die wesentlichen größten Tourismusveranstalter und Tourismusbetriebe unterzeichnet haben, sieht vor, dass die Emissionen im Tourismus bis 2030 um 50 Prozent sinken sollen. Bis 2050 um 100 Prozent, also komplett klimaneutral sein. Und bis 2030 - also wirklich viel Zeit haben wir da nicht mehr. Das muss uns einfach allen miteinander klar sein. Für Österreich bedeutet das auch einiges, weil wir nicht vergessen dürfen: Der umsatz- und sehr margenstarke Winter- und Ski-Tourismus ist natürlich auch sehr energieintensiv. Nicht jetzt nur vor Ort mit den Seilbahnen, die ja schon sehr viel dafür tun, damit hier so wenig wie möglich Energie gebraucht wird, aber eben auch durch die Anreise, die halt zu einem Großteil bei uns im Wintertourismus doch mit dem Auto passiert. Da sind wir wieder bei diesen 80 Prozent. Das heißt, wie schaffen wir das, auch bedenkend, dass gerade in Deutschland, unserem größten und liebsten Markt, gerade für den Wintertourismus, dass immer weniger junge Leute einen Führerschein machen oder ein Auto haben? Wie fangen wir das ab? Da wird's noch viel Gehirnschmalz hineinzustecken geben in Zukunft, um diese Thematik sozusagen im wahrsten Sinne des Wortes abzufackeln. Das zweite Thema habe ich auch schon kurz erwähnt: Es wird einfach irrsinnig viel von Information und Kommunikation abhängen. Und eben den Leuten auch mitzuteilen, dass ein klimafreundlicherer, um nicht zu sagen -neutraler Urlaub nicht unbedingt etwas mit Verzicht zu tun haben muss. Dass das ganz im Gegenteil auch etwas sehr Positives und sicher nichts ist, wo ich einen großen Verzicht üben muss. Das ist das zweite Thema, was wir sicherlich noch bedenken müssen. Ja, und das dritte Thema ist: Es kommt sicher nicht nur auf den Preis an, sondern auch auf die Verfügbarkeit. Ich muss klimafreundliche, klimaschonende Angebote zu jeder Zeit an jedem Ort leicht verfügbar haben, um die Leute quasi auf diese Schiene zu bringen. Und auch da werden wir wieder - Stichwort Smart Cities, Stichwort Last Mile, Stichwort First Mile - noch einiges an den berühmten Hausaufgaben zu erledigen haben.

Hedorfer: Also ich stimme, Eva, dir da zu 100 Prozent zu. Vollumfänglich. Ich denke, die Information ist sehr wichtig. Natürlich auch die Entwicklung. Das Thema Aus- und Weiterbildung ist ein ganz wichtiges. Überhaupt das ganze Thema, die Mitarbeiter mitzunehmen auf diese Reise der Transformation, des Umbaus der Touristik. Das braucht Wertschätzung aber auch für das Geleistete, es braucht Training, es braucht Investitionen, es braucht auch Vorbilder, die vorweg gehen können. Und ich denke auch eine Vision: Wie sieht dieses Land dann aus 2030, 2040? Ich hoffe, dass wir durch den Tourismus, aber auch den Erhalt von Topografie sichern können. Also diese wechselnden Abhängigkeiten. Tourismus ist Beschäftigung und wir wollen weiter ja auch Arbeitsplatz in der Region sichern. Dafür brauchen wir ein nachhaltiges touristisches Angebot, das auf der einen Seite die Umwelt schont und die Landschaft und Topografie erhält. Du hast den Wintertourismus, Stichwort künstliche Beschneiung et cetera angesprochen, das Gleiche gilt natürlich auch für unsere Mittelgebirge. Nur wenn in diesen Naturparks auch Flächen bewirtschaftet werden - und sie werden eben immer mehr auch wegen der Bewirtschaftung durch Tourismus erhalten - dann bedingt sich das gegenseitig. Also die wechselnden Abhängigkeiten fordern zu mehr Gemeinsamkeit auf, zu gemeinsamem Handeln, verantwortungsvollem Handeln, um einen qualitativen Tourismus auch in Zukunft sicherzustellen. Lass uns das gemeinsam machen und voneinander lernen und hier möglichst viele Menschen mit auf diese Reise nehmen.

Schaubrenner: Petra, ich habe noch eine Frage, die Eva Buzzi hat es angesprochen: Nachhaltigkeit muss nicht zwingend teurer sein für den Endverbraucher. Interessiert mich natürlich, weil unser Podcast sich ja auch an die Entscheider in der Tourismusbranche richtet. Kann man denn mit nachhaltigem Tourismus auch Gewinn machen? Es geht ja nicht nur um den reinen Selbstzweck, nachhaltig etwas anzubieten. Wir müssen ja, Sie haben es erwähnt, auch Arbeitsplätze erhalten. Wir müssen ja auch am Ende dort irgendwo mit einem Plus herauskommen. Welche Rückmeldung kriegen Sie da aus der Branche?

Hedorfer: Ja, wir haben ein Expert Industry Panel. Eva, das ist eine Befragung von über 280 CEOs, die rund 70 Prozent Marktabdeckung in unseren Quellmärkten ausmachen. Also große Reiseveranstalter, Reisebüroketten, OTAs. Und die sagen in der Juli-Befragung, wird viermal im Jahr gemacht, Sie denken, dass Deutschland hier führend mit ist, was nachhaltige Angebote angeht. Und dass sie immer mehr nachhaltige Angebote auch in den Vertrieb geben wollen, dass ihre Kunden aber erst zu einem Drittel, rund 31 Prozent, auch dezidiert danach fragen. Da kommt also Werbung, Aufklärung, Initiative jetzt ins Spiel, die gefragt ist von uns allen. Education, Edutainment. Die Branche auf alle Fälle steuert hier und wird es sicherlich nur tun, wenn sie auch Geld damit verdienen kann. Also ich meine, so selbstbewusst sind wir alle. Das ist ja kein L'art-pour-l'art-Geschäft, sondern es muss am Ende des Tages sich auch für jeden Marktteilnehmer rechnen.

Schaubrenner: Ja. Und das heißt: Durchaus kann die Industrie diesen ersten Schritt machen, für ein Angebot sorgen. Denn die Nachfrage ja ganz offensichtlich da ist, wie wir gelernt haben.

Hedorfer: Und es gibt auch schon Angebote. Viel zu wenig, da bin ich mit Eva Buzzi einig. Und es muss ein relevantes Deutschlandbild in nachhaltigen Angeboten gezeichnet werden. Will heißen, aus jeder Region und jeder Destination möglichst alles auch nachhaltig angeboten.

Schaubrenner: Liebe Eva Buzzi, wir haben schon ganz viel abgedeckt zu diesem Thema Nachhaltigkeit, zu diesem Thema kleinere Städte. Vielleicht ist Ihnen noch was im Hinterkopf, wo Sie sagen, das muss auch noch erwähnt werden heute in diesem Podcast. Denn die Zeit, sie schreitet flott voran. Gibt es ein Thema, gibt es einen Aspekt, den wir noch nicht angeschnitten haben, wo Sie sagen, da sollte man zumindest noch mal ein kurzes Schlaglicht darauf werfen?

Buzzi: Vielleicht noch ein Thema, was mir also auch persönlich sehr wichtig ist. Sowohl wir in Österreich als auch - ich sag das einmal ganz vertrauensvoll - ihr in Deutschland: Für uns ist ein nachhaltig lebender und denkender Gast ein hochqualitativer Gast. Genau diesen Gast möchten wir ja alle haben und genau um den raufen wir uns. Der soll zu uns oder soll zu euch. Margenstark, verhält sich so, wie wir das gerne haben. Aber was tun wir mit den doch noch sehr, sehr vielen anderen, die das noch nicht so drinnen haben? Die vielleicht auch nicht die finanziellen Mittel haben, um genau diesen Weg, den wir miteinander vorausgehen möchten, mit uns zu beschreiten. Kundinnen und Kunden, die auch ein Recht auf Urlaub haben, auch sich erholen möchten. Wo wir aber sagen: Hm, das wird vielleicht nicht ganz die Zukunft sein. Das ist etwas, das beschäftigt mich wirklich sehr in der letzten Zeit. Was biete ich diesen Menschen an? Und ich bin da noch auf keinen grünen Zweig gekommen, um unser neues Konzept der Nachhaltigkeit, dieses New Normal, um dann nochmal auf den Titel zurückzukommen, wirklich für alle auszurollen und für alle zu einem Erlebnis zu machen.

Schaubrenner: Petra Hedorfer, ich bin sicher, Sie haben da schon im Hinterkopf nicht nur eine Antwort, wie man diesen Gast auch bekommt.

Hedorfer: Also mein Wunsch, Eva, ... Ich verstehe, was du meinst. Es geht also um flächendeckendes, nachhaltiges Reisen von jedem. Mein Wunsch wäre, dass wir gar nicht mehr „Nachhaltigkeit" sagen müssen.

Buzzi: Stimmt, ja.

Hedorfer: Dass es so übergeht, dass auch eine Reise nachhaltig sein kann ... Und ich will mich da gar nicht überhöhen: Was ist jetzt die richtige Urlaubsform? Alle Reisen sollten wertvoll einen Impact geben und die Ressourcen schonen. Wir beginnen ja nicht damit. Es ist eine Menge schon passiert und alleine in dieser Transformation sehen wir, dass es immer mehr Menschen gibt, die wir auf allen Urlaubsformen und auch Geldbeuteln zum Teil zumindest schon auf diesem qualitativen Weg erreicht haben.

Schaubrenner: Petra, ich fand, das war ein fantastisches Schlusswort. Wie sehen Sie das?

Hedorfer: Also es war fantastisch. Und vielleicht darf ich noch einen kleinen Werbeblock anhängen. Wir haben, Eva, einen Sustainable Tourism Day, das wird der erste sein in Deutschland, am 28. September. Bist herzlich eingeladen. Ein fantastisches Programm, in dem wir mit der Wissenschaft und - ich glaube, das sollte man auch sagen: Wir brauchen natürlich auch Forschung und Entwicklung, Innovationen werden heute auch in den Hochschulen gefragter denn je sein. Also Ausbildung noch mal, dafür möchte ich werben. Und wir haben jede Menge Bundeswettbewerbe für nachhaltige Initiativen, um Sichtbarkeit für diese Initiativen, aber auch die Förderkulisse mitzunehmen. Ohne politische und finanzielle öffentliche Förderung wird uns diese Transformation nicht gelingen. Die Industrie zahlt ihren Teil, aber wir brauchen auch meiner Ansicht nach ein klareres Petitum. Wenn gefördert wird und öffentliche Gelder fließen, dann muss das eine Conditio sine qua non sein. Es muss eine unerlässliche Bedingung sein, dass dann nachhaltige Auflagen existieren für jede Förderung im Tourismus.

Schaubrenner: Auf jeden Fall.

Buzzi: Ja, vielen Dank für die Einladung. Ist eine tolle Initiative. Danke schön, Petra.

Hedorfer: Gerne, Eva! Alles Gute und hoffentlich nicht allzu heiße Tage, moderate Tage und einen guten Herbst für euch in Österreich.

Buzzi: So retour nach Deutschland. Ich danke euch.

Hedorfer: Wunderbar, auf Wiederhören! Danke nach Hamburg und bis ganz bald.

Schaubrenner: Ja, ich bedanke mich auch, liebe Eva Buzzi, liebe Petra Hedorfer, das war wieder sehr spannend, sehr informativ. Ich möchte an dieser Stelle noch wie immer auf diese Podcast-Reihe an sich und die Abo-Möglichkeiten hinweisen, denn es gibt sehr viel mehr. Wir haben hier beispielsweise schon über den US-Markt gesprochen oder die Besonderheiten der Reisenden aus Großbritannien und beim letzten Mal - vielfach gehört und viel gelobt - über das Thema Naturreisen mit besonderem Fokus auf die Niederländer. Wir freuen uns natürlich ganz besonders, wenn Sie, liebe Zuhörer, „On the MIC with Petra Hedorfer" abonnieren. Hören können Sie den DZT-Podcast auf Spotify, bei Apple, Google und überall, wo es gute Podcasts gibt: Und natürlich auch auf unserer Website www.germany.travel. Auch von meiner Seite herzlichen Dank, happy listening und safe travels.

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